Von Hasen und Hackern


Eigentlich hatte ich vor, wieder über etwas Technisches zu schreiben, da mir partout nichts anderes einfallen wollte. Dann lud mich spontan eine Freundin zum Theater ein... Mein Job ist aber nun eigentlich über technische Themen zu schreiben und dies ist glaube ich das erste Mal seit dem Abi, dass ich über Kultur schreibe. Ich hoffe es gefällt Euch trotzdem.

„Hase Hase“ („Lapin Lapin“ im französichen Original) ist ein Stück aus der Feder von Colin Serreau, dass zur Zeit in der Komödie am Kurfürstendamm, die momentan das Schillertheater als Übergangsspielstätte verwendet, aufgeführt wird. Inszeniert von der Autorin selbst, greift die Komödie damit ein Werk neu auf, das bereits 1992 im Schillertheater uraufgeführt wurde.

„Hase Hase“ folgt dem nicht ganz gewöhnlichen Alltag der Familie Hase. Es könnte Alles so schön sein: Der Großteil der 5 Kinder sind aus dem Haus. Der Älteste − Bébert − lebt zwar noch bei Mama, verfolgt aber ein vielversprechendes Medizinstudium. Der Jüngste − der namensgebende Hase Hase − ist auf dem Gymnasium und ein Mathe-Ass und Papa Hase freut sich schon auf seine nächste Lohnerhöhung. Doch dann wendet sich das Blatt. Jeannot, der zweitälteste Sohn, verfolgt von der Polizei, sucht bei seinen Eltern Unterschlupf. Er hatte nicht, wie behauptet, für das EU-Parlament in Brüssel arbeitet, sondern Papiere für Flüchtlinge gefälscht und war dadurch in die Machenschaften eines terroristischen Netzwerkes geraten. Später entscheidet Lucie, die älteste Tochter, sich von ihrem Mann aufgrund eines Salzstreuers scheiden zu lassen und die frisch verlobte Marie, die jüngste Tochter, lässt es erst gar nicht so weit kommen und lässt ihren Verlobten im Standesamt stehen. Auch um Papa und Hase steht es schlecht: Papa erwartet in Wirklichkeit keine Lohnerhöhung, sondern wurde schon Wochen zuvor in die Frührente entlassen, und Hase wurde wegen seiner wirren „Theorien“ über Außerirdische (zu denen er übrigens selbst gehört) von der Schule geworfen. Nachdem auch Maries Verlobter Gérard und die Nachbarin Frau Duperri sich bei Familie einquatieren, bricht plötzlich die Apokalypse aus, in der Hase augenscheinlich zu Tode kommt (aber eigentlich von seinen außerirdischen Auftragsgebern evakuiert wird). Mitschuld an dieser Endzeitstimmung ist Bébert, der sich, wie sich herausstellt, nicht Medizin studiert, sondern als 3v!1 h4x0r (1337 5p34k für „evil Hacker“) entpuppt.

Die Uraufführung 1992 wurde von Benno Besson inszeniert, somit ist es nur passend, dass in diesem Stück über die Familie selbst nun der Großteil der Besetzung aus seiner Familie besteht. Hase Hase wird wie damals von seiner Tochter Katharina Thalbach gespielt, in die Rollen der Lucie und Marie schlüpfen wiederum ihre Tochter Anna und Enkelin Marie. Die Söhne Bessons (und Halbbrüder Thalbachs) spielen Mama (Pierre Besson) und Bébert (Philippe Besson). Markus Völlenklee, den eine lange Freundschaft mit Katharina Thalbach verbindet, spielt Papa. Frau Duperri wird von Anke Engelsmann verkörpert, Raphael Dwinger gibt den Jeannot und Marek Helsner spielt Gérard. Florian Rast und Alexandra Broneske runden das Ensemble mit diversen Nebenrollen ab.

Im Großen und Ganzen fand ich das Stück sehr unterhaltsam. Der apokalyptische Hack von Bébert erinnerte mich stark an den 5/9 Hack aus der Serie Mr. Robot, deren 1. Staffel ich am Wochenende zuvor beendet hatte (ich weiß... ich bin spät dran). Das Stück ist trotz seines 34-jährigen Alters überraschend zeitnah und spricht feministische Themen und die Flüchtlingskrise an. Jedoch kommen wir hiermit auch schon zu meinen Kritikpunkten an dem Stück.

In einer Szene zieht Marie, um ihren Verlobten Gérard zu provozieren, ein Kopftuch über. Die Emotionen kochen über und dies führt letztendlich dazu, dass Mama Hase einen flammenden Monolog über Frauenrechte und den Kampf der zu deren heutigen Ausprägung geführt hat. Leider war dieser Monolog aber durch die Kopftuchthematik so stark mit Islamophobie durchsetzt, dass mir und einem − leider nur kleinen − Teil des Publikums die Jubelrufe im Hals stecken blieben.

Gleichzeitig zeigt das Stück ein hervorragendes Beispiel für Gender Bending in der Besetzung von Katharina Thalbach als den jüngsten Sohn Hase Hase und Pierre Besson als Mama Hase, die die Rollen ohne viel Spott und sonstigen Peinlichkeiten, die sonst mitschwingen, wenn z.B. Männer ältere Frauen spielen, großartig ausführen. Auf der anderen Seite wird Gender Bending dann im letzten Akt des Stücks als Punchline zu verwenden, als der wiedererstandender Hase die Soldaten der Neuen Ordnung − der neuen Regierung in der durch Béberts Hack entstandenen schönen neuen Welt − dadurch befriedet, indem er sie in „Mädchen“ verwandelt. Hier wurde das Stück für mich leider ziemlich sexistisch und transphob.

Wenn man von diesen Ausrutschern aber mal absieht, kann ich das Stück aber sehr empfehlen. Leider ist wohl wiederum heute (19. Januar 2020) die letzte Vorführung. Aber vielleicht kriegt ihr ja noch ein Ticket.